Der Kunstmarkt ist undemokratisch – Monopol Magazin
Magnus Resch, Sie haben gemeinsam mit einem Team von Datenwissenschaftlern versucht, den Erfolg von Künstlern zu vermessen. Mit welcher Prämisse sind Sie eingestiegen?
Daten, Daten, Daten! Als Ökonom betrachte ich den Kunstmarkt durch Zahlen. In meiner Doktorarbeit analysierte ich, was eine Galerie erfolgreich macht. Ich wollte mich jetzt auf Künstler konzentrieren. Durch meine App hatte ich endlich die Daten dafür. Damit sprach ich die Netzwerk-Theoretikern Laszlo Barabasi und Sam Fraiberger an. Drei Jahre arbeiteten wir an dem Paper.
Zu welchen Ergebnissen kamen Sie? Wurden Sie überrascht?
Ich war erstaunt, wie undemokratisch der Kunstmarkt ist. Es gibt ein kleines Netzwerk von Institutionen, die den Erfolg gepachtet haben. Hier werden die Superstar-Künstler gemacht, die unsere Enkel im Museum bestaunen. Alle anderen sind in Insel-Netzwerken, weit weg vom gelobten Land und ohne große Erfolgsaussichten.
Heißt das, wer am Anfang in den richtigen Kreisen verkehrte, bleibt drin, die in den weniger erfolgreichen auch?
Leider ja. Das Netzwerk ist undurchlässig – Aufstiegschancen gleich null. Fängt man einmal in der Insel an, bleibt man auch da. Der Kunstmarkt gleicht dem Kastensystem in Indien.
Von welchen Netzwerken sprechen Sie?
Die üblichen Verdächtigen sind die Einflussreichsten: MoMA, Guggenheim und Gagosian Gallery, zusammen mit der Pace Gallery, Metropolitan Museum of Art, Art Institute of Chicago, and National Gallery of Art in Washington, D.C. – natürlich alles Amerikaner und die meisten in New York.
Das sind Institutionen und Händler, die viel Erfahrung und einen geschulten Qualitätssinn haben. Stellen Sie die in Frage?
Natürlich nicht. Larry Gagosian ist ein großartiger Unternehmer. Er bringt seine Künstler in den Top-Museen unter. Das ist sein Geschäftsmodell. Er nutzt dafür sein Netzwerk – so wie es jeder andere Unternehmer auch macht. Da sein Netzwerk besonders relevant ist, bestimmt er, was gute Kunst ist. Er ist der Tastemaker unserer Generation.
Was ist mit „späten Karrieren“ oder Entdeckungen von Künstlern, deren Œuvre viele Jahre jenseits der öffentlichen Wahrnehmung entstand?
Sie sind die absolute Ausnahme. Wir haben eine halbe Millionen Künstler untersucht. Nur 240 Künstler haben den Aufstieg geschafft – also haben in schwachen Institutionen angefangen und konnten dann doch bei Top-Institutionen ausstellen. 240 von 500.000!
Haben Sie Parameter gefunden, um künstlerische Qualität zu beziffern?
In den meisten Künsten kann Qualität nicht gemessen werden. Im Sport ist das einfacher: Der beste Golfer ist der, der am wenigsten Schläge braucht. Der beste Sprinter ist der, der die 100 Meter am schnellsten rennt. In der Kunst geht das nicht. Hier übernimmt das Netzwerk. Ein paar Kuratoren, Galeristen, Museumsdirektoren und reiche Sammler bestimmen, was gute Kunst ist – und was unsere Kinder im Museum bestaunen dürfen.
Was braucht ein Künstler Ihren Untersuchungen nach also?
Man muss Unternehmer sein. Also knallhart am Aufbau seiner Marke arbeiten und netzwerken, um die richtigen Leute kennenzulernen. Es geht nicht darum, der beste Maler und der kreativste Kopf zu sein. Es ist erschreckend, dass Künstler an den Akademien lernen, wie man den Pinsel hält, aber nicht, wie der Kunstmarkt funktioniert. Ich plädiere seit Jahren für mehr Management in der Kunst.
Folgt man Ihren Strategien, könnte jeder zum erfolgreichen Künstler werden?
Ja. Kunst ist subjektiv. Was mir gefällt, muss Ihnen nicht gefallen. Und hier setzt das Netzwerk ein. Es übernimmt die Bewertung und gibt der Kunst ihren Wert. Es ist also ein Irrglaube zu meinen, dass erfolgreiche Künstler besonders talentiert sind. Erfolgreiche Künstler sind schlichtweg im richtigen Netzwerk.
Versuchen Sie, mit Ihren Ansätzen wie auch bei Ihrem Buch „Management für Kunstgalerien“ und der aktuellen Studie, die wolkige, teilweise willkürlich wirkende Wertschöpfungskette in der Kunst endlich dingfest zu machen?
Der Kunstmarkt hat ein Riesenroblem: Keiner kauft Kunst. Die Anzahl der verkauften Werke ist seit Jahren rückläufig, zwischen 2007 und 2017 sogar um 20 Prozent gesunken. 30 Prozent aller Galerien machen Verlust. Gleichzeitig hört man ständig von Rekordpreisen. Die Wahrnehmung ist verzerrt, weil es zwei Welten gibt. Das Top-End-Segment und der Rest. Das Top-End-Segment ist das zentrale Netzwerk, das ich eben beschrieben habe. Hier sind die Superstar-Künstler und die Markt-Macher. Im Rest ist schlichtweg jeder andere, also 99.9 Prozent aller Galerien und Künstler. Und die leiden. Die Leute mit Einfluss haben natürlich ein Interesse daran, dass alles so bleibt. Die Top-Galeristen wollen die Preise oben halten, die Künstler wollen relevant bleiben, die Sammler nicht einen Wertverlust ihrer Assets erleben. Was mich wundert, ist, dass alle Insel-Institutionen beschäftigt sind, Ausstellungen zu organisieren, anstatt dagegen auf die Barrikaden zu gehen! Es braucht also eine Intervention von außen.
Klingt als würden Sie gerne nach den Erkenntnissen aus Ihrer Studie ein Programm aufstellen. Welches?
Als Unternehmer tut es mir zwar in der Seele weh, nach politischer Intervention zu rufen, aber die braucht es wohl. Staatliche Museen müssen Künstlern Ausstellungen geben, die nicht von den Top-Galerien kommen. Das könnte in einem Äquivalent zu „Blind Auditions“ gemacht werden, so wie in amerikanischen Orchestern nicht selten offene Stellen besetzt werden. Oder durch eine Lotterie.
Eine Umverteilung, die auch eine Einbuße von Qualität bedeuten könnte, oder?
Es gibt keine Qualität in der Kunst. Das hat Duchamp mit seinem Urinal doch schon 1917 bewiesen. Wie kann ein Pissoir qualitativ hochwertige Kunst sein? Das ist doch Blödsinn. Umverteilung ist daher das falsche Wort. Ich nenne es Fairness und Gleichberechtigung, damit jeder erfolgreich werden kann – ganz unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe und sexueller Orientierung.
Welches Ziel verfolgen Sie damit?
Mein Ziel ist es, den Kunstmarkt transparenter zu machen, damit mehr Leute Kunst kaufen. Davon profitieren alle, vor allem Künstler und Galeristen. Es geht darum den Markt zugänglicher, fairer und ehrlicher zu machen. Meine App, die wie „Shazam“ für Kunst funktioniert, ist ein erster Schritt. Meine Bücher („Managament von Kunstgalerien“) und diese wissenschaftliche Analyse sind weitere. Ich bin kein Träumer. Es ist ein weiter Weg.